Die achte Ausgabe unserer jährlichen Alumni-Studienreise führte uns Ende letzten Jahres nach Norddeutschland, in die Freie und Hansestadt Hamburg. Mit einer buntgemischten multidisziplinären Gruppe von 23 Alumni und aktuellen Stipendiatinnen und Stipendiaten des DAAD besuchten wir dort mehre herausragende Forschungseinrichtungen und bedeutende Institutionen. Und wie immer waren viel gute Laune und Geselligkeit mit von der Partie.
Zum Auftakt des Programms wurden wir von Herrn Dr. Rolf Greve, Leiter des Amtes für Wissenschaft und Forschung der Hamburger Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke, einer der elf Fachbehörden des Hamburger Senats, im prachtvollen Rathaus der Hansestadt empfangen. Herr Greve hob die außergewöhnlichen Merkmale des Rathauses hervor, das sowohl den Senat als auch die Hamburger Bürgerschaft beherbergt. Es handle sich um ein Gebäude, das von und für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt konzipiert wurde, weshalb es an offensichtlichem Prunk fehle. Herr Greve beschrieb die Entwicklung einer reichen Handelsstadt, die sich nach und nach der Forschung zugewandt hat. Insbesondere seit den 1950er Jahren baute Hamburg zahlreiche Forschungskooperationen mit anderen norddeutschen Bundesländern und später auch mit internationalen Partnern auf. Heute sind diverse renommierte internationale Forschungseinrichtungen, wie die Max-Planck-Institute, in der Hansestadt angesiedelt und es werden die besten Forscherinnen und Forscher aus Cambridge, Oxford, dem MIT, u.v.m. rekrutiert. Die vielen Fragen unserer Gruppe zeigten das offenkundige Interesse an diesem Austausch.
Unser zweiter Besuch führte uns in das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), der größten Forschungseinrichtung Deutschlands auf dem Gebiet tropentypischer und neu auftretender Infektionskrankheiten. Das gemeinnützige Forschungsinstitut wurde 1900 gegründet und ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Hier wurden wir von Frau Dr. Eleonora Schönherr, Wissenschaftsreferentin im BNITM, empfangen und erhielten spannende Einblicke in die Forschungsgebiete des Instituts. Anschließend stellte uns Frau Dr. med. Saskia Davi, klinische Studienleiterin in der Abteilung Klinische Forschung des BNITM und des UKE (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf), ein konkretes Forschungsprojekt zu Mutter-Kind-Infektionen und den Wechselwirkungen zwischen HIV und Malaria in bestimmten Gebieten in Sub-Sahara Afrika wie Gabun vor. In den Laboren des Instituts konnten wir zum Abschluss einem Doktoranden bei seiner Forschungsarbeit über die Schulter schauen und auf den Bildschirmen sehen, wie Infektionen im menschlichen Körper verfolgt werden. Wir waren von all diesen Präsentationen nachhaltig beeindruckt.
Danach ging es in das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, der bedeutendsten Staatseinrichtung in diesem Bereich. Nach einem erkenntnisreichen Vortrag über die Geschichte der Einrichtung von Dr. Nico Nolte, Leiter der Abteilung „Ordnung des Meeres“, hatte man hier auch noch die Möglichkeit, seinen Yachtschein nachzuholen. Im Simulator lernten wir unseren Milliarden-Dollar-Kahn durch Wind und Wetter geschickt durch den Hafen zu manövrieren, wobei Herr Jochen Ritterbusch uns nach jedem Crash stets ermutigte. Zu guter Letzt kamen wir noch in den Genuss einer Führung durch die Werkstatt mit Herrn Diercks und Herrn Ludwig. Hier werden seit jeher Messgeräte für die Vermessung der Meerestiefe in der Nordsee hergestellt. Im Zentrum der Ausstellung gab es auch noch einen großen Käfig zu bestaunen, mit dem man früher wahrscheinlich Meerjungfrauen eingefangen hat. Vermessung ist für die reibungslose Schifffahrt eine der zentralsten Angelegenheiten. Jene Geräte werden dafür vielseitig eingesetzt und legen dabei die Basis für die amtlichen Karten, welche das Amt regelmäßig herausgibt. Und wie diese dann aussehen können, lernten wir im Anschluss bei Frau Martina Plettendorf, die uns einige historische Exemplare der Kartografie der frühen Neuzeit zeigte. Insbesondere die Reisen der Flaschenpost haben die Faszination unserer Gruppe auf sich gezogen. Wäre die Titanic mit solcher Technologie ausgestattet gewesen, wäre Leonardo di Caprio wahrscheinlich heute noch am Leben. Schade…
Gleich im Anschluss wagten wir dann einen Ausflug zum Kronjuwel der Hamburger Hochkultur, der Reeperbahn. Zwischen Bars, Sexshops und Punks waren hier selbst konservative Süddeutsche von der Vitalität des Hamburger Kulturlebens mitgerissen. Wir ließen uns dann schließlich auch noch zu einem spirituellen Kaltgetränk animieren, bevor es dem Abendessen entgegen ging.
Das Ende des Tages wurde schließlich mit einem Besuch im Gasthaus an der Alster eingeläutet. Bei gutem Essen, Wein und Bier konnte man noch gut gelaunt die Ereignisse des Tages verarbeiten. Die urige Atmosphäre verlieh dem ganzen einen Charme ohnegleichen. Sicherlich ein Lokal mit Hamburger Geschichte. Man stelle sich nur an einem der verzierten Stühle einen in Zigarettenrauch gehüllten Helmut Schmidt vor, der in Idylle über weltpolitische Themen sinniert. Und sicherlich hat hier auch schon Christian Rach (gefragt natürlich) das Essen kommentiert. Einige der Teilnehmer sind danach noch weiter ans Alsterwasser gezogen, um das nächtliche Leben in einer der zahlreichen Cocktailbars ausklingen zu lassen.
Nach einem üppigen Frühstück im Hotel teilten wir uns für den ersten Programmpunkt des nächsten Tages in zwei Gruppen auf. Die eine Hälfte unserer Gruppe fand sich für einen Ausflug in die Gefilde des Norddeutschen Rundfunk zusammen. Hier wird das deutsche Volk mit den harten Fakten des Lebens konfrontiert, auch wenn es wehtut. Von unserem Besucherführer, Herrn Jörn Behrens, wurden wir durch die Räume geleitet. Wir bekamen spannende Einblicke in die Technik und die Komplexität der Organisation einer Fernsehshow. Vieles für den Zuschauer Unsichtbare gab sich hier Preis: Die Vielzahl an Kameras in den Räumen, sowie die ausgefeilte Ansammlung an tontechnischen Elementen. Ein Schock für viele gutgläubige Seelen war die Tatsache, dass die meisten Fernseh-Hosts nur von Telepromptern ablesen. Auch die gewaltige Ansammlung von Kostümen war für viele Fashion-begeisterte natürlich ein Highlight. Was für ein kurioses Vergnügen, diese Meinungsfreiheit!
Zeitgleich begab sich die andere Hälfte der Gruppe auf den Weg zum Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY), eines der führenden Forschungszentren für Teilchenphysik weltweit, um hier die Geheimnisse der Materie zu ergründen. Nach einer Einführung über DESY und seine Forschungsbereiche durch einen passionierten jungen Forscher begann unsere spannende Führung über das weitläufige Gelände. Dabei hatten wir die einzigartige Gelegenheit, den HERA-Teilchenbeschleuniger und den PETRA-III-Speicherring zu sehen. Letzterer ist eine der stärksten Röntgenstrahlquellen der Welt. Uns wurde dabei anschaulich erläutert, welche Vorgänge die Teilchenbeschleuniger und Röntgenlaser sichtbar machen, und wir konnten buchstäblich entdecken, was die Welt im Innersten zusammenhält.
Nach einer gemütlichen Mittagspause mit Spaziergang an der Außenalster für den einen Teil der Gruppe, und einer gehetzten Fahrt quer durch die Stadt für den anderen, stand nun ein Besuch an der Hochschule für Musik und Theater im ansehnlichen Budge-Palais an. In der staatlichen Einrichtung wurden wir von Professor Jonas Dietrich, Frau Christiane Brück, und Frau Katharina Strauer durch die prachtvollen Räume der Hochschule geführt. In einem Vortrag erfuhren wir, wie wettbewerbsschwer die Aufnahmeprüfungen sind und wie sehr sich die Hochschule dennoch um die Integration von Studierenden aus Übersee bemüht. Wir erfuhren Details zum sozialen Engagement der Hochschule, die unter anderem mit örtlichen Krankenhäusern zusammenarbeitet. Letztlich konnten wir dann sogar noch zwei der Studierenden der Hochschule beim Proben zuschauen. Der Besuch endete mit einem Blick über das idyllische Stadtviertel, in dem die Schule angesiedelt ist. Im Anschluss hatten wir die einzigartige Möglichkeit, dem dort am selben Abend organisierten DAAD-Preisträgerkonzert beizuwohnen.
Während der eine Teil für das Konzert in der Musikhochschule blieb, besuchte der Rest unserer Gruppe den Energiebunker in Wilhelmsburg. Dieser ehemalige Flakbunker aus dem Zweiten Weltkrieg wurde in den letzten Jahren zu einem nachhaltigen Energieprojekt umgewandelt. Wir wurden von Herrn Sebastian Maaß begrüßt und erhielten eine Einführung in die Geschichte des Bunkers und seine Transformation zu einem Kraftwerk. Im Inneren des Bunkers befinden sich mehrere Ebenen, auf denen riesige Batterien und ein Blockheizkraftwerk installiert sind, das Biogas aus organischen Abfällen und Pflanzenölen verbrennt, um Strom und Wärme zu erzeugen. Das Besondere an dem Bunker ist, dass er als Energiespeicher dient und überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind- und Solarenergie speichert, um ihn bei Bedarf abzurufen. Der Bunker ist Teil eines intelligenten Stromnetzes und arbeitet mit anderen dezentralen Energieanlagen in Hamburg zusammen, um eine effiziente und stabile Stromversorgung zu gewährleisten. Als krönender Abschluss hatten wir die Gelegenheit, den Ausblick von der Dachterrasse zu genießen, der einen Panoramablick über Hamburg und den Hafen bot.
Auch das Abendessen des zweiten Tages war ein Highlight! Dieses Mal ging es zum Restaurant „Schifferbörse“, einem altehrwürdigen Etablissement spezialisiert auf Hamburgs kulinarische Kernkompetenz: Fisch. Bei unserem Besuch leisteten uns Frau Brück und Frau Strauer von der HfMT noch Gesellschaft. Für viele war es der letzte Abend des Ausfluges. Das Essen war grandios und die Stimmung ausgelassen. Im alten Stil einer Hamburger Hafenkneipe erschien man wie durch die Zeit gereist zu sein. Eine wahrliche Seemannserfahrung und wie auch am Abend zuvor, ein wunderbarer Ausklang für den Tag.
Am Vormittag des letzten Tages erhielten wir schließlich die lang erwartete Rundführung durch die Stadt. Hamburgs architektonische Vielseitigkeit überzeugte dabei selbst den ignorantesten Laien. Die Regierung hatte nach dem zweiten Weltkrieg die Stadt wieder aufgebaut, ohne dabei die überbleibenden Fassaden abzureißen. Aus diesem Grund haben viele Stadtteile Hamburgs heute noch ihren traditionellen Charme. Auch besuchten wir die St. Petri-Kirche in der Innenstadt, die von Napoleons Truppen als Stall für Pferde verwendet wurde. Gerade im deutsch-französischen Kontext ein sehr interessantes Detail. Heute ist sie eine der zentralen Orte für Glaubensausübung der Stadtbevölkerung. Bei der Erkundung des Hafenviertels erreichten wir zahlreiche traditionelle Restaurants, die unter anderem auch Hamburgs Kult-Snack anboten: Fischbrötchen. Die Sehnsucht nach einem solchen Leckerbissen war bei den durch die langen Fußmärsche ausgehungerten DAAD-Alumni mehr als verständlich!
Nach dieser Stärkung ging es nun der begehrten Hamburger Hafenrundfahrt entgegen. Unser gut gelaunter Touristenführer zeigte uns pompöse Luxusvillen am Rande der Stadt, die von der Fähre aus gut zu begutachten waren. Besonders beeindruckend waren aber die riesigen Container-Schiffe, die im Hafen lagen. Man kennt sie aus den Nachrichten und aus Zeitungsausschnitten, doch in echt sind diese gigantischen Handelsfrachter noch weitaus eindrucksvoller. Im Hafen lag außerdem noch ein Schiff der Aida-Flotte, das von uns mit „My heart will go on“ besungen wurde. Daneben parkten auch direkt die neusten Fregatten der deutschen Marine. Wie romantisch! Auch erfuhren wir über die gelähmten Luxus-Yachten der russischen Oligarchen, die seit dem Krieg in der Ukraine ohne Antriebsschraube im Hafen lagen. Dank unseres Trainings im Bundesamt für Schifffahrt wussten wir ja nun auch, wie man so einen Kahn bedient. Zuletzt konnten wir aus dem Hafen heraus noch auf das Gebäude blicken, das unsere letzte Station für den Abend sein würde: Die berühmte Hamburger Elbphilharmonie.
Davor jedoch war noch ein weiterer Trip geplant: eine Führung durch das Hamburger Kunstmuseum aus der Perspektive eines deutsch-französischen Impressionismus. Unser amerikanischer Führer Mister Jeffrey Turek brachte uns bei, dass viele deutsche Künstler damals vom französischen Impressionismus begeistert waren, und selbst als Lehrlinge der verschiedenen Maler dienten. So befruchtete der kulturelle Austausch zwischen den Ländern in Zeiten der Feindseligkeit dennoch die Kultur gegenseitig. Mister Turek machte uns auf die Subjektivität der menschlichen Erfahrung aufmerksam, die in dieser künstlerischen Strömung untermauert wird. Diese stünde seit der Reformation im Zentrum der westlichen Kultur, und findet selbst heute noch politisch in gegenwärtiger Identitätspolitik ihren Ausdruck. Spannend!
Nach einem üppigen Abendessen ging es nun für das Ende der Reise zu einem Jazz-Konzert in der Elbphilharmonie. In einem architektonisch sehr modern designten Saal hörten wir einige Stücke des berühmten Jazz-Komponisten Joshua Redman, gemeinsam mit den Mitgliedern des Quartetts Brad Mehldau, Christian McBride, und Brian Blade. Das ruhige Ambiente und der stetige, jedoch kaum aufdringliche Takt der Jazz-Musik waren ideal für das Gemüt nach drei ereignisreichen und faszinierenden Tagen. Hier konnte man den Gedanken freien Lauf lassen, und sich der Einzigartigkeit dieser Reiseerfahrung noch einmal bewusstwerden. Der Ausflug des DAAD Alumni France nach Hamburg. Etwas, das definitiv im Gedächtnis bleibt!
Autor: Robin Schindowski