Am 18. Oktober 2023 haben wir in illustrer deutsch-französischer Runde den im Bau befindlichen U-Bahnbahnhof Saint-Maur Créteil besichtigt. Trotz des stürmisch herbstlichen Wetters hörte unsere kleine Gruppe gespannt der Botschafterin der Société du Grand Paris zu, um mehr über die Relevanz, Umsetzung und Zukunft des Projekts zu erfahren. Die Mobilitätsperspektiven der Metrolinie 15, eingebettet im Grand Paris, sowie die architektonischen und bautechnischen Herausforderungen des U-Bahnhofs Saint-Maur Créteil machten unseren Ausflug zu einer Besichtigung der besonderen Art.
Mit seinen in 52 Meter tief liegenden Bahnsteigen rühmt sich das Bauvorhaben schon jetzt, der tiefste Bahnhof Frankreichs zu werden. Die geographische Nähe der Marne erklärt die außergewöhnliche Tiefe des Bahnhofs, da der Wasserdruck und die feuchten Grundbedingungen eine Konstruktion auf Höhe der durchschnittlichen Bautiefe des Grand Paris Express von 29 Meter nicht ermöglichen würden. Wie immer waren auch dieses Mal die vielfältigen akademischen und beruflichen Hintergründe unserer Alumni von Vorteil. Die Präsenz zweier unserer Ingenieure und Physiker sorgte für interessante Nachfragen zu den bautechnischen Herausforderungen des Tiefbaus: Zentral waren das Ausheben der zylinderförmigen Baugrube und dessen Stabilisierung durch das Gießen 70 Meter tiefreichender Betonwände.
Auch wenn die Eröffnung des südlichen Teils der Metrolinie 15 mittlerweile auf das Jahr 2025 verschoben wurde, ist in den Tiefen Saint-Maurs bereits der sogenannte Tunneliers vorbeigekommen. Diese Tunnelbohrmaschine fräst sich ihren Weg durch das Erdreich und bildet somit den 75 km langen Tunnel, der die insgesamt 36 U-Bahnhöfe der Linie 15 verbinden wird. Die Durchfahrt dieser Maschine stellte für jede Baustelle dieser Art einen kritischen Moment dar und konnte in Saint-Maur bereits mit Erfolg abgeschlossen werden.
Wenngleich die Botschafterin die Strahlkraft des Grand Paris und die damit verbundene Zuschaustellung des französischen Savoir-faire unterstreicht, gesteht sie unserer deutsch-französischen Runde, dass die Tunnelbohrmaschine deutsch sei. Zugegebenermaßen bleibt das wohl technologische beeindruckendste Element, der Einsatz fahrerloser U-Bahnen auf allen Metrolinien des Grand Paris Express, ein Markenzeichen französischer Ingenieurskunst und kann schon heute in Lille, Toulouse, Rennes oder Paris bewundert werden.
Ferner erinnert der kreisförmige Verlauf der Linie 15 an die Berliner Ringbahn oder Wiener Ringlinie und verfolgt damit das verkehrspolitische Ziel, das Pariser Stadtzentrum zu entlasten und eine allgemeine Fahrzeitverkürzung via Querverbindungen zwischen Pariser Vororten zu ermöglichen. Seine Fertigstellung wird das von Olivier Delouvrier erdachte und auf Paris zulaufende RER-Verkehrsnetz aus den 60er Jahren um wertvolle Umsteigepunkte ergänzen. Der von uns besichtigte Bahnhof Saint-Maur Créteil illustriert diese Bereicherung vortrefflich: Zukünftig wird in seinem Inneren der Umstieg vom schon heute oberirdisch liegenden RER A zur unterirdischen U-Bahnlinie 15 durch stolze elf Großaufzüge ermöglicht werden. Zur Eröffnung im Jahr 2025 werden täglich 45 000 Reisende erwartet.
Unsere Gruppe hat sich vom verregneten Besuch beeindruckt gezeigt und bestens verstanden, was dieses Projekt so spannend macht: Es wird den Alltag der Menschen der Pariser Region nachhaltig verändern. Niemand in unserer Gruppe konnte sich zurückhalten, darüber nachzudenken, welche neuen Mobilitätsmöglichkeiten der Grand Paris Express für ihn oder sie persönlich eröffnen wird. Klar bleibt da immer dieser bittere Nachgeschmack des wiederholten Aufschubs und der Verdoppelung der ursprünglich angepeilten Gelder. Doch gibt es wohl kaum eine andere Gruppe als die deutschen-französischen Alumni des DAADs, die bereits aus Deutschland ganz andere Großbauprojekte kennen, die von ähnlichen Problemen geplagt waren und sind.
Von Luis Krings