ÉVéNEMENTS

« La Ville Rose : haut lieu de l’innovation aérospatiale »

14 - 16 novembre 2014

Ein Highlight des Jahresprogramms von „DAAD Alumni France“ war die gemeinsame Reise von 24 Alumni und Freunden des DAAD nach Toulouse. Geplant und organisiert hat die Reise der Alumnus Carsten Döll. Nach einer vom DAAD finanzierten Promotion in Toulouse hielt er der Stadt an der Garonne die Treue und ist dort heute beim ONERA, dem französischen Forschungsinstitut für Luft- und Raumfahrttechnik, tätig. Neben dem Schwerpunktthema Luft- und Raumfahrt blieb auch Zeit für die Besichtigung der Altstadt mit ihren eindrucksvollen Kirchenbauten und Museen, das Erkunden der berühmten Gastronomie des Südwestens sowie das Kennenlernen und Gespräche am Rande. Als besonderes Plus werteten es die Teilnehmer, dass Deutsche und Franzosen verschiedener Generationen und quer durch alle Fachrichtungen diese Reise gemeinsam unternehmen konnten. Herzlichen Dank an Carsten Döll sowie Nadine Magaud und Georg Dietze für die Vorbereitung der Reise. Es ist geplant, künftig jedes Jahr eine solche Reise zu veranstalten. Wenn Sie Lust haben, einer Gruppe deutscher und französischer Alumni ihre Stadt und ihr Arbeitsumfeld nahezubringen, sind Sie herzlich eingeladen, sich bei uns zu melden.  

A380 – ein Kürzel, das für eine neue Dimension in der zivilen Luftfahrt steht. Mit einer Reichweite von bis zu 15200 Kilometern, Platz für 525 Passagiere (Standardversion), einer Länge von 74 Metern, einer Spannweite von knapp 80 Metern und einem maximalen Tankvolumen von 320.000 Litern Kerosin ist der Airbus 380 das größte Passagierflugzeug, das in Serie gefertigt wird. Zusammengesetzt  wird es seit 2005 im südfranzösischen Toulouse. In die Airbus-Stadt führte vor kurzem eine Studienreise des DAAD-Alumni-Vereins « DAAD Alumni France ». Gleich nach der Ankunft am Flughafen stand eine Besichtigung der „Site industriel Jean-Luc Lagardère“ auf dem Programm. Sämtliche Hallen und Anlagen auf dem 50 Hektar großen Gelände dienen einem Zweck – den 380 zu montieren. Allein die Dimensionen der Montagehalle mit einer Grundfläche von 10 Hektar, 490 Metern Länge, 250 Metern Breite und 46 Metern Höhe sorgte bei den 24 Teilnehmern für Respekt. Im Inneren konnte man sich eine Vorstellung davon machen, wie minutiös die Montage vor sich geht. Die findet nicht an einem einzigen Ort statt, sondern die jeweiligen Schritte (z.B. Montage des Rumpfs, der Flügel, der Turbinen, des Fahrwerks, Verbinden der vorverkabelten Bauteile sowie langwierige Tests wie die Avioniktests) werden an unterschiedlichen Positionen in der Megahalle ausgeführt. Dafür wird zum Teil in fünf Etagen gewerkelt, die die Monteure mit einem Fahrstuhl erreichen. Die meisten Teilkomponenten werden an Airbus-Standorten in Deutschland und Frankreich, aber auch in Großbritannien (aus Broughton kommen die Flügel) hergestellt. Die Turbinen hingegen liefert die britische Firma Rolls-Royce und ein amerikanisches Konsortium aus Pratt&Withney und General Electric. Die Teile werden auf dem Wasserweg über See, dann die Garonne und schließlich per Schwertransport in zwei Nachtfahrten auf das Werksgelände gebracht (ein Youtube-Video zeigt den Ablauf in rasanten sieben Minuten: https://www.youtube.com/watch?v=6fezJFAyn28 ). So beeindruckend die technische Leistung, so problematisch allerdings die Auftragslage. Die dürfte besser sein, ließ die Führerin wissen.

Die Präsenz von Airbus hat in Toulouse diverse Forschungsinstitute und Hochschulen zum Thema Luft- und Raumfahrt entstehen lassen. Je einer Forschungseinrichtung und einer Hochschule stattete die Gruppe am ersten Nachmittag einen Besuch ab.
Das ONERA (Office National d’Etudes et de Recherches Aérospatiales) hat 8 Standorte in Frankreich. In Toulouse befinden sich 7 Institute, davon hat unsere Gruppe 3 besichtigt. Im ersten Institut werden unter anderem die Wirkung von Elektromagnetismus auf Radarsysteme erforscht. Die Ergebnisse fließen in die Entwicklung von neuen Flugzeugtypen ein. Im zweiten Institut wurden den Teilnehmern verschiedene Windkanäle erläutert, in denen Flugbedingungen simuliert werden, um neue Systeme (z.B. leichtere Geschwindigkeitsmesser und Enteisungssysteme) zu testen. Dazu wird unter anderem die sogenannte Background-Oriented Schlieren Methode (BOS-Technik) eingesetzt, welche  ursprünglich am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) entwickelt wurde. Am ONERA wird die Technik dazu verwendet, mittels bis zu zehn Digitalkameras, dreidimensionale Strömungsstrukturen wie z.B. Verdichtungsstöße am Austritt von Strahltriebwerken zu visualisieren. Im dritten Institut werden spezielle Flugdrohnen entwickelt. Getestet werden neue Anwendungsgebiete (z.B. Suchaufträge in unbekanntem Terrain) an u.a. zwei mittelgroßen Hubschraubern, die die Firma Yamaha ursprünglich mit Fernsteuerung für Einsätze in der Landwirtschaft entwickelt hatte. Desweiteren werden die Kooperationsmöglichkeiten zwischen mehreren Drohnen unterschiedlicher Größe und Robotern auf dem Festland und im Meer ausgelotet.

An der Hochschule ISAE (Institut Supérieur de l’Aéronautique et de l’Espace) konnte die Gruppe unter anderem Studenten über die Schultern sehen, die gerade dabei waren, für ihr Pflichtlabor ein Flügelprofil in einem Überschallwindkanal zu vermessen. Die ISAE und der Toulouser Standort der ONERA wurden 1968 nach dem Beispiel amerikanischer Campus-Universitäten zusammen gegründet. Die Hörsäle und Laboreinrichtungen sowie die Forscher und die Studenten sollten so nah wie möglich beieinander sein, um sich gegenseitig zu bereichern.

Am nächsten Tag erkundete die Gruppe die „Cité de l’Espace“, einen ausgedehnten Wissenspark rund um die Themen Weltraum, Astronomie und Raumfahrt. Hier konnte man zum Beispiel in einem 1:1-Modell der Weltraumstation MIR die beengten Verhältnisse erleben, unter denen die russischen Raumfahrer ihre Forschungen durchführten. Nahezu alles, was die Geschichte der Raumfahrt ausmacht, wird in der „Cité“ lehrreich und anschaulich aufbereitet: die Entwicklungen des Planetensystems und des Universums, die Etappen der internationalen Raumfahrt von der Raumkapsel Sojus über den Sputnik bis zur Internationalen Raumstation ISS. Natürlich war ein baugleiches Modell der unglücklich an einem Kraterrand gelandeten Raumsonde „Philae“ zu sehen, außerdem ein Modell des bereits seit 830 Tagen auf dem Mars herumrollenden Marsmobils „Curiosity“. Und auf dem Gelände zog ein riesiges Modell der europäischen Trägerrakete Ariane 5 staunende Blicke auf sich.

Nach derartig viel Wissenschafts-Input bildete ein Stadtrundgang durch Toulouse einen willkommenen Ausgleich. Hier erfuhr man von einer kundigen Stadtführerin alles Wichtige über die Stadtgeschichte. Die Teilnehmer bewunderten mit dem „Couvent des Jacobins“ ein Musterbeispiel für die besondere Ausprägung der Gothik im Mittelmeerraum. Besonderheiten waren die Reihe von mächtigen Pfeilern, die die Kirche in der Mitte teilt, und die auffallenden vielgliedrigen, farbenfroh bemalten Strebewerke. Besonders ein Pfeiler, der als „Palmier“ bekannt ist, fiel ins Auge.  Dank einer Spiegelkonstruktion können Besucher ihn in Augenschein nehmen, indem sie nach unten schauen, statt den Nacken zu ermüden. Ein Kuriosum war hingegen die Kathedrale Saint-Etienne, deren Rosette aus dem 13., das Portal aus dem 14., und der Turm aus dem 16. Jahrhundert stammen. Die „Schwarze Madonna“ in der „Basilique Notre Dame la Daurade“, das weiträumige Kapitol (heute die Mairie), der Pont Neuf und nicht zuletzt die „Basilique Saint-Sernin“, ein Meisterwerk der Romanik, hinterließen bleibende Eindrücke. Viel erfuhr man auch über das „Goldene Zeitalter“ der Stadt, das ziemlich genau von 1463 bis 1562 dauerte. Die Blüte von Toulouse gründete sich damals auf den Anbau des „Pastel des Teinturiers“ (Färberpastel, auch „Pastel de Toulouse“), aus dem man die Farbe Pastellblau gewinnen konnte. Das Ende der goldenen Ära brach an, als in Amerika das Indigo entdeckt und bald auch importiert wurde. Erholt hat sich die „Ville rose“ von diesem Einbruch erst wieder, nachdem sie im Ersten Weltkrieg zur französischen Hauptstadt der Luft- und Raumfahrtindustrie avancierte.

Mathias Nofze und Christiane Schmeken